Im Jahr 2021 erfolgte die Marktzulassung des Phytopharmakons Calmalaif® in Deutschland mit einer Zusammensetzung, die bislang nicht auf dem deutschen Markt vertreten war. Das Präparat enthält eine Kombination aus den Trockenextrakten verschiedener Arzneidrogen: Baldrianwurzel, Passionsblumenkraut, Weißdornblätter mit Blüten und Schwarznesselkraut1. Diese Kombination wird zur Besserung des Befindens bei nervlicher Belastung und zur Förderung des Schlafs empfohlen. Die aktuelle Marktzulassung ist Anlass, hier den Erkenntnisstand zusammenzufassen.
Real-Life-Daten: Leichte Schlafstörungen und leichte Angstzustände sind häufig
In einer offenen multizentrischen prospektiven Beobachtungsstudie wurden die Effekte der in Frankreich seit mehr als 30 Jahren erhältlichen Viererkombination evaluiert.
Dabei wurden mehr als 210 Allgemeinmediziner aus unterschiedlichen Regionen Frankreichs eingangs nach ihren Erfahrungen mit der Behandlung von Patienten mit leichten Schlafstörungen und/oder leichten Angstzuständen in ihrem Praxisalltag befragt [1]. Die Studienärzte gaben an, dass 19,1 (± 14,6) Patienten pro Woche ihre Praxis wegen leichten Angstzuständen und/oder leichten Schlafstörungen aufsuchten, wobei 73,3% von ihnen schätzten, dass diese Zahl tendenziell steigen würde. 82,9% der Ärzte äußerten, dass die Phytotherapie eine Erstlinienbehandlung darstellen könnte, bevor sie gegebenenfalls auf Psychopharmaka wechseln würden. Als Gründe dafür wurden die sehr gute Verträglichkeit genannt (89,3%) und die Tatsache, dass sie keine Abhängigkeit verursache (89,3%).
Signifikanter Nutzen unter Real-Life-Bedingungen
In die oben genannte prospektive Studie waren 888 Patienten eingeschlossen (Durchschnittsalter 42 ± 15 Jahre), mehrheitlich weiblich (69,9%), die seit längerem (durchschnittlich 14 Monate) unter psychischen Problemen litten: u. a. Ängstlichkeit (58,9%), Nervosität (53%) oder Reizbarkeit (40%). Hinzu kamen mehrere begleitende somatische Symptome wie Herzklopfen, das Gefühl eines Kloßes im Hals, Engegefühl in der Brust oder Bauchkrämpfe, die auf diese psychischen Probleme zurückgeführt werden können.
Über 15 Tage nahmen sie die oben erwähnte pflanzliche Viererkombination ein. Die Dosierung erfolgte entsprechend den Vorgaben der Gebrauchsinformation des Herstellers und bewegte sich je nach Beschwerdebild von abends ein bis zwei Tabletten bis dreimal täglich ein bis zwei Tabletten [2, 3].
Am Ende der 15-tägigen Behandlung wurde eine signifikante Abnahme der Häufigkeit sowohl der psychischen als auch der somatischen Symptome festgestellt, die zur ärztlichen Konsultation geführt hatten (Abb. 1 und 2).
Abb. 1. Änderungen der psychischen Symptome
Abb. 2. Änderungen der somatischen Symptome
Zur Erhebung des Stresspegels wurde der PSM-9 verwendet (psychological stress measure), bei dem die Studienärzte jeweils neun Symptome ihrer Patienten auf einer achtstufigen Skala bewerteten [4]. Das durchschnittliche Stressniveau lag zum Zeitpunkt des Einschlusses bei 50 ± 9 auf der PSM-9-Skala und 84,8% der Patienten hatten mit einer Punktzahl ≥40 ein gemäß der Skala definiertes erhöhtes Stressniveau. Der mittlere PSM-9-Wert betrug nach der 15-tägigen Behandlung 39 ± 11. Damit ergab sich eine signifikante durchschnittliche Verringerung um etwa 20% (p < 0,0001). Der Prozentsatz der Patienten mit einem erhöhten Stressniveau (PSM-9-Score >40) sank auf 44,4% gegenüber 84,8% vor der Behandlung (p < 0,0001) (Abb. 3).
Die Schlafstörungen wurden mit der Athens Insomnia Scale (AIS) bewertet, einer in mehreren Sprachen validierten Skala, bei der acht Schlaffaktoren auf einer vierstufigen Skala beurteilt werden [5]. Ein Score-Wert von über 6 kann zur Diagnose einer Insomnie genutzt werden. Der durchschnittliche AIS-Wert der Studienteilnehmer lag bei 12,0 ± 4,7. 88,2% der Teilnehmer hatten einen Wert von mehr als 6, und somit nachweislich eine Schlafstörung.
Nach 15-tägiger Behandlung lag der mittlere AIS-Score-Wert bei 7,7 ± 5,0. Daraus ergab sich eine Verbesserung des Schlafes von 34,7% (p < 0,001). Der Anteil der Patienten mit bestätigten Schlafstörungen (AIS-Wert >6) sank von 88,2% vor Behandlungsbeginn auf 55,6% (p < 0,05) (Abb. 3).
Abb. 3. Änderung des prozentualen Anteils an Patienten mit erhöhtem Stressniveau (PSM-9 >40) bzw. bestätigten Schlafstörungen (AIS >6)
Bei der Bewertung der Veränderungen nach 15 Tagen Einnahme der Studienmedikation bei den neun Einzelsymptomen des PSM-9 zeigte sich eine vergleichbare Verbesserung in allen neun Achsen (Abb. 4).
Abb. 4. Änderung in den verschiedenen Achsen des PSM-9 unter Behandlung mit der pflanzlichen Viererkombination
Diese klinischen Verbesserungen spiegelten sich auch in der Lebensqualität der Patienten wider. Die Auswirkungen auf das tägliche Leben wurden mit einer visuellen Analogskala (VAS) bestimmt (0 = keine Wirkung; 100 = intensive Wirkung) (Abb. 5).
Abb. 5. Beeinträchtigung des beruflichen und familiären Lebens sowie Veränderung des allgemeinen Wohlbefindens vor und nach 15-tägiger Therapie. Datenpunkte zeigen den Mittelwert ± SEM in mm einer visuellen Analogskala (0 = keine Wirkung; 100 = intensive Wirkung).
Plazebo-kontrollierte Probanden-Studie: Belegter Nutzen auch unter definierten psychologischen und physiologischen Stress-Situationen
Ergänzend zur nicht-interventionellen Beobachtungsstudie wurde 2020 eine randomisierte, Plazebo-kontrollierte, doppelblinde Studie im Cross-over-Design präsentiert [6]. Gesunde Erwachsene (n = 27), ohne Angst- und Stimmungsstörungen erhielten über 14 Tage entweder die pflanzliche Viererkombination oder Plazebo – wobei nach einer 28-tägigen Auswaschphase ein Wechsel der Behandlungen erfolgte. Es wurden jeweils zwei Tabletten dreimal täglich eingenommen. Ziel der Studie war, die Auswirkungen der zweiwöchigen Einnahme des Phytopharmakons auf relevante psychologische und physiologische Stressparameter zu untersuchen.
Die längerfristigen Effekte wurden mit verschiedenen psychologischen Fragebögen bewertet, die akuten psychologischen und physiologischen Wirkungen wurden als Reaktion auf eine künstliche psychosoziale Stress-Situation im Labor (observed multitasking stressor, OMS) bestimmt.
Zusätzlich wurden Stimmung, Schläfrigkeit und kognitive Funktionen an den Tagen 7 und 14 des Interventionszeitraums über eine mobile App (Cognimapp) beurteilt.
Nach 14-tägiger Einnahme des Studienpräparats berichteten die Teilnehmer über ein reduziertes subjektives Angstempfinden, bewertet mit dem POMS-Fragebogen (POMS = Profile of Mood States, Dimension Anspannung/Angst). Als Reaktion auf den psychosozialen Stressor (OMS) zeigten sie eine abgeschwächte Reaktion, belegt durch einen niedrigeren α-Amylase-Wert im Speichel und eine Verminderung der elektrodermalen Hautleitfähigkeit (gemessen als galvanische Hautreaktion). Es wurden keine negativen Auswirkungen auf die subjektive Erregung oder die kognitive Leistungsfähigkeit, die über die App bewertet wurde, beobachtet. So führte das Phytopharmakon im Vergleich zu Plazebo sogar zu signifikant weniger Fehlalarmen bei der anhaltenden Aufmerksamkeit (RVIP-Aufgabe, Rapid Visual Information Processing).
Phytopharmakon als First-line-Behandlung bei Stresssymptomen
Die Ergebnisse der Studien zeigen den Nutzen der pflanzlichen Viererkombination als First-line-Behandlung bei stressbedingten Symptomen wie z. B. leichten Schlafstörungen, Ängstlichkeit, Anspannung und nervöser Unruhe auf. Positive Effekte auf psychische sowie somatische Stresssymptome und eine Verbesserung der Lebensqualität zeigten sich in Real-Life-Daten und konnten durch eine Plazebo-kontrollierte Probandenstudie untermauert werden.
1Arzneilich wirksame Bestandteile: Trockenextrakte aus Baldrianwurzel (29 mg, 3–6:1, Auszugsmittel 60% Ethanol), Passionsblumenkraut (13 mg, 4–7:1, Auszugsmittel 60% Ethanol), Weißdornblätter mit Blüten (5,4 mg, 4–7:1, Auszugsmittel Wasser), Schwarznesselkraut (4,5 mg, 4–6:1, Auszugsmittel Wasser).
Studienprodukt war das in Frankreich zugelassene Produkt Euphytose®: Trockenextrakte aus Baldrianwurzel (50 mg, Auszugsmittel 60% Ethanol), Passionsblumenkraut (40 mg, Auszugsmittel 60% Ethanol), Weißdornblätter mit Blüten (10 mg, Auszugsmittel Wasser), Schwarznesselkraut (10 mg, Auszugsmittel Wasser) [2].
Unterschiede in den Mengenangaben zwischen beiden Produkten sind durch Vorgaben zur Deklaration begründet: Bei der früheren Zulassung von Euphytose® in Frankreich wurde die Extraktzubereitung inkl. primärer Hilfsstoffe angegeben, während die Mengenangaben in Calmalaif® den Anteil des nativen Extraktes allein umfassen [3].
Literatur
- Allaert FA. Évaluation d’une phytothérapie dans le traitement des troubles mineurs du sommeil et de l’anxiété légère. La Lettre du Psychiatrie, Vol. V, No. 3, May-June 2009.
- Package information leaflet, Euphytose®, 2008.
- Bayer Vital GmbH, Leverkusen
- Lemyre L, Tessier R. Measuring psychological stress. Concept, model, and measurement instrument in primacy care research. Can Fam Physician 2003;49:1159–60:1166–8
- Paparrigopoulos T, et al. Insomnia and its correlates in a representative sample of the Greek population. BMC Public Health 2010;10:531. https://doi.org/10.1186/1471-2458-10-531
- Jackson P, Dodd F, Wightman E, Kennedy D. The chronic effects of a multi-herbal extract preparation on psychological and physiological measures of stress: a randomised, placebo-controlled, double blind study in healthy humans. Berlin: DGPPN, 2020
Interessenkonflikt: H. Aziz-Kalbhenn und C. Kolb sind Angestellte von Steigerwald Arzneimittelwerk GmbH, Darmstadt.
Offenlegung: Medical Writing und Publikation finanziert durch Steigerwald Arzneimittelwerk GmbH, Darmstadt.