Eine gesunde Ernährung der Mutter in der Schwangerschaft, mit einer ausreichenden Zufuhr von Energie, Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen, fördert die fetale Entwicklung des Kindes und hilft, Schwangerschaftskomplikationen vorzubeugen. Auch bei Frauen aus einkommensstarken Ländern kann es durch den erhöhten Bedarf in der Schwangerschaft zu Defiziten bei der Versorgung kommen [1]. Standardmäßig wird von der WHO eine Supplementierung von Eisen und Folsäure (0,4 mg/Tag) während der gesamten Schwangerschaft zur Reduzierung einer mütterlichen Anämie und zur Verbesserung der Gesundheit des Kindes empfohlen [2].
Die vorliegende Untersuchung ist die erste randomisierte kontrollierte Studie zu den Auswirkungen einer Supplementierung mit einer Kombination aus mehreren Mikronährstoffen sowie DHA in der Schwangerschaft.
Studie zur Kombination von Mikronährstoffen und DHA in der Schwangerschaft
In die randomisierte, kontrollierte Parallelgruppenstudie wurden 176 gesunde, schwangere Frauen in zwei Zentren in Italien eingeschlossen. Einschlusskriterien waren eine Einlingsschwangerschaft, ein Hämoglobinwert > 105 g/L sowie die Einnahme von ≥ 400 μg Folat/Tag [1].
Untersucht wurden die Auswirkungen der einmal täglichen Nahrungsergänzung mit mehreren Mikronährstoffen plus DHA (im Folgenden als Multiple Micronutrient Supplementation, MMS bezeichnet) im Vergleich zu keiner Supplementierung während der Schwangerschaft auf mütterliche Biomarker und anthropometrische Parameter der Säuglinge. Studienprodukt war eine Softgelkapsel mit folgenden Bestandteilen (Elevit® 2, Bayer): Vitamin A (Betacarotin) 2566 IU; Vitamin C 85 mg; Vitamin D 200 IU; Vitamin E 15 IU; Vitamin B1 1,4 mg; Vitamin B2 1,4 mg; Vitamin B3 18 mg; Vitamin B5 6 mg; Vitamin B6 1,9 mg; Folsäure 200 μg; L-Methylfolat 226 μg; Vitamin B12 2,6 μg; Biotin 30 μg; Iod 150 μg; Magnesium 57 mg; Zink 10 mg; Selen 60 μg; Kupfer 1,0 mg; Eisen 14 mg; DHA 200 mg.
Die Rekrutierung der Frauen sowie die Bestimmung der Baseline-Werte erfolgte in der 11. bis 14. Schwangerschaftswoche (SSW). Ab SSW 13 bis 15 begannen die Frauen mit der einmal täglichen Einnahme des Studienprodukts (n = 87, von denen 65 die Studie abschlossen) oder wurden der Kontrollgruppe ohne Supplementierung zugeordnet (n = 89, von denen 76 die Studie abschlossen). Die Studie endete mit der Geburt des Kindes und dauerte im Durchschnitt 24,5 ± 6,49 (1,0 bis 30,9) Wochen. Die Dauer war in der Studiengruppe und in der Kontrollgruppe vergleichbar.
Die Mikronährstoff-Bestimmung erfolgte unter anderem im Blut der Mutter jeweils nach 9 und 18 Wochen Supplementierung.
Primärer Endpunkt war die Veränderung des DHA-Gehalts der mütterlichen roten Blutkörperchen (RBC), bestimmt in Gewichtsprozent bezogen auf die Gesamtfettsäuren (Gew.-% TFA).
Zu den sekundären Endpunkten gehörten unter anderem der Status von Vitamin D sowie weitere Biomarker und anthropometrische Parameter der Säuglinge bei der Entbindung, wie Kopfumfang, Körperlänge, Gewicht etc.
Signifikante Erhöhung des DHA-Werts bei der Mutter
Langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren finden sich in hohen Konzentrationen im Gehirn und im zentralen Nervensystem. Docosahexaensäure (DHA) bildet den größten Anteil dieser Fettsäuren. Sie hilft unter anderem, die fetale neuronale und visuelle Entwicklung zu unterstützen [3]. Die DHA-Spiegel, die dem Fötus während der Schwangerschaft zur Verfügung stehen, werden durch die Ernährung der Mutter bestimmt [1].
Der Gehalt an DHA bezogen auf die Gesamtfettsäuren (Gew.-% TFA) in den maternalen Erythrozyten wurde als Hinweis auf den mütterlichen Status an langkettigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren betrachtet. Er erhöhte sich bei jedem Kontrolltermin bei beiden Gruppen (Abb. 1). Die mittlere Veränderung von Kontrolltermin 1 bis 4 war in der MMS-Gruppe signifikant größer als in der Kontrollgruppe mit einem geschätzten Behandlungsunterschied von 0,96 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,61–1,31; p < 0,0001). Darüber hinaus stiegen die Erythrozyten-DHA-Spiegel (RBC-DHA-Spiegel) bei Frauen am unteren Ende des Messbereichs in der MMS-Gruppe deutlicher (um 1,1 % bei Kontrolltermin 3 und 1,6 % bei Kontrolltermin 4 vs. Kontrolltermin 1) als in der Kontrollgruppe (Zunahme um 0,2 % bei Kontrolltermin 3 und 0,5 % bei Kontrolltermin 4 gegenüber Kontrolltermin 1) und erreichten den RBC-DHA-Zielspiegel von Schwangeren (5 %) bei Kontrolltermin 4 [1]. Obwohl die durchschnittlichen RBC-DHA-Spiegel bei jedem Kontrolltermin über 6 % lagen, gab es in beiden Gruppen Frauen, die unter diesen Wert fielen. Allerdings stiegen die Spiegel bei Frauen in den unteren Bereichen im Studienverlauf stärker in der MMS-Gruppe und erreichten den Schwellenwert im dritten Trimenon.
Abb. 1. Mittlere Veränderung (inkl. Standardabweichung) von Kontrolltermin 1 zu Kontrolltermin 4 der maternalen Erythrozyten-DHA (Gew.-% TFA) (p < 0,0001 zugunsten von MMS)
Signifikante Erhöhung des Omega-3-Index bei der Mutter
Zu den sekundären Endpunkten gehörte die Verbesserung weiterer mütterlicher Variablen, wie der Anstieg anderer Fettsäureparameter in den roten Blutkörperchen, z. B. die Gesamtfettsäuren (TFA), Eicosapentaensäure (EPA), das DHA/TFA-Verhältnis und der Omega-3-Index, der sich aus der Summe von DHA und EPA berechnet [1].
Signifikante Unterschiede zugunsten von MMS zeigten sich beim Omega-3-Index, die geschätzte Differenz betrug 1,00 (95%-KI 0,64–1,37; p < 0,0001) (Abb. 2) [1].
Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) trägt EPA zu einer normalen Herzfunktion, zum Erhalt des normalen Blutdrucks und zum Erhalt der normalen Triglycerid-Konzentrationen im Blut bei [3, 4].
Abb. 2. Mittlere Veränderung (inkl. Standardabweichung) von Kontrolltermin 1 zu Kontrolltermin 4 beim Omega-3-Index (p < 0,0001 zugunsten von MMS). Der Omega-3-Index ergibt sich durch die Summe aus DHA und EPA.
Stabilisierung des Vitamin-D-Werts bei der Mutter
Vitamin D trägt unter anderem zu einer normalen Funktion des Immunsystems sowie zu einer physiologischen Aufnahme und Verwertung von Calcium und Phosphat bei. Es ist damit von Bedeutung für die Knochengesundheit [3, 4]. Niedrige Blutwerte von Vitamin D bei Schwangeren wurden mit Schwangerschaftskomplikationen in Verbindung gebracht [1].
Als kennzeichnend für den Vitamin-D-Status wurde der Calcidiol-Spiegel bestimmt, der Aufschluss über die Versorgung des Körpers mit Vitamin D gibt.
Bei den Probandinnen, die MMS plus DHA supplementierten, kam es im Vergleich zur Kontrollgruppe zu einem signifikanten Anstieg des Calcidiol-Spiegels (geschätzte Differenz 3,96 μg/L; 95 %-KI 0,88–7,04; p = 0,0122), während es in der Kontrollgruppe sogar zu einer Abnahme der Vitamin-D-Spiegel kam (Abb. 3) [1].
Abb. 3. Mittlere Veränderung (inkl. Standardabweichung) von Kontrolltermin 1 zu Kontrolltermin 4 von Calcidiol (25-Hydroxy-Vitamin-D) (p = 0,0122 zugunsten von MMS)
MMS plus DHA erwies sich als sicher und gut verträglich
Die Anzahl der unerwünschten Ereignisse war in der MMS- und der Kontrollgruppe vergleichbar. Keines der Ereignisse wurde von den Studienärzten in einem kausalen Zusammenhang mit der Supplementation gesehen. Es wurden darüber hinaus keine relevanten Veränderungen der Laborparameter beobachtet und die körperlichen und gynäkologischen Untersuchungen waren unauffällig.
Zusammenfassung
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Einnahme eines Mikronährstoff-Supplements mit DHA im zweiten und dritten Schwangerschaftstrimenon bei Frauen aus Industrieländern unter anderem mit einer signifikanten Steigerung des maternalen DHA-Werts und einer ebenfalls signifikanten Stabilisierung des Vitamin-D-Status assoziiert war.
Das Supplement wurde gut vertragen und die Sicherheitsergebnisse waren in der Studiengruppe und in der Kontrollgruppe vergleichbar.
Obwohl auch in Ländern mit hohem Einkommen die Versorgung mit Mikronährstoffen bei Schwangeren oft unzureichend ist, beschränkt sich derzeit die routinemäßige Empfehlung von Nahrungsergänzungsmitteln auf Eisen und Folsäure. Studien mit einer größeren Studienpopulation wären wünschenswert, um die Vorteile von Multinährstoff-Supplementen während der Schwangerschaft mit weiterer Evidenz zu untermauern.
Literatur
- Massari M, Novielli C et al. Multiple micronutrients and docosahexaenoic acid supplementation during pregnancy: A randomized controlled study. Nutrients 2020;12:2432.
- World Health Organization. WHO antenatal care recommendations for a positive pregnancy experience, Nutritional interventions update: Multiple micronutrient supplements during pregnancy. World Health Organization 2020.
- European commission. Complete dataset of nutrition and health claims 25/10/2018.
- Eucell: https://www.eucell.de/ernaehrung/ernaehrungslexikon/fettsaeuren/omega-3-fettsaeuren/docosahexaensaeure-dha/wirkung.html (Zugriff on 1.10.2021).
Interessenkonflikt: Jens Seibel ist Angestellter der Firma Bayer Vital GmbH.
Offenlegung: Publikation finanziert von Bayer Vital GmbH.