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Wie öffentliche Apotheken das Selbstmanagement von Menschen mit Obstipation erheblich verbessern können


EFSM: 2024;4:240054DOI: 10.52778/efsm.24.0054Veröffentlicht am: 11.11.2024
Christian Ude, Eric Martin, Dilhan Esen und Daniel Pohl

Obstipation ist ein weitverbreitetes Leiden, dessen Erstlinienbehandlung häufig in einer öffentlichen Apotheke beginnt. Mit zunehmender Bedeutung der Selbstmedikation spielen Apotheker diesbezüglich eine immer größere Rolle, indem sie die Betroffenen aufklären, sie als erste beraten und ihnen evidenzbasierte Therapieempfehlungen geben. Dabei geht vor allem darum, ihnen Linderung zu verschaffen und zu erkennen, ob sie ein Arzt aufsuchen sollten [1].

Beurteilung von Obstipation im Praxisalltag der Apotheke

Obwohl Obstipation die Lebensqualität erheblich beeinflusst [2], wird sie nicht selten unterschätzt, was einmal mehr verdeutlicht, wie wichtig Interventionen und eine zielführende Beratung vor Ort sind. Im Gespräch mit den Betroffenen können Apotheker nicht nur falsche Ansichten über Obstipation korrigieren, sondern ihnen auch die Behandlungsmöglichkeit aufzeigen, die für sie am besten geeignet ist.

Mit unserem Leitfaden (Abb. 1) wollen wir Apothekern die maßgeblichen Kenntnisse vermitteln und ihnen eine effiziente Entscheidungshilfe an die Hand geben, die es ihnen erleichtern wird, fundierte Entscheidungen zu treffen – zum Beispiel darüber, ob sie einem Betroffenen eine rezeptfreie Lösung anbieten dürfen oder ob er eine eingehendere ärztliche Beratung benötigt [1]. 

Bevor sie einem Kunden eine Therapie empfehlen, sollten Apotheker seinen allgemeinen Gesundheitszustand in Erfahrung bringen, indem sie ihn gezielt nach seinem sonstigen Wohlbefinden und nach bestimmten Beschwerden fragen. Dabei sollten sie ihm vor allem zwei Schlüsselfragen (Screening Questions, SQ) stellen, um mögliche Warnsymptome zu erkennen, die auf eine schwerere Grunderkrankung hindeuten könnten [1]:

  1. “Haben Sie starke Unterleibsschmerzen, vielleicht sogar in Verbindung mit Erbrechen oder Fieber?”
  2. “Haben Sie Blut im Stuhl (ohne bekannte Ursache wie z. B. Hämorrhoiden) oder in letzter Zeit ohne ersichtlichen Grund deutlich abgenommen?”

Anhand der Antworten auf diese Fragen stellt der Algorithmus folgende Informationen und Leitlinien bereit [1]:

Schwere Warnsymptome, bei denen keine Laxanzien angewandt werden sollten:Starke Unterleibsschmerzen (mit oder ohne Erbrechen oder Fieber) laut SQ1 deuten auf eine möglicherweise schwere gastrointestinale Störung hin, die die Konsultation eines Arztes innerhalb von drei Tagen erfordert; bis dahin sollten keine Laxanzien abgegeben werden. Je nach Schweregrad der Symptome können dem Betroffenen bis zum Arztbesuch aber Spasmolytika oder Analgetika empfohlen werden. 

Mittelstarke Warnsymptome: Implikationen von SQ1: Sind die Unterleibsschmerzen nicht stark, können rezeptfreie Medikamente bis zum Arztbesuch (innerhalb von 2–4 Wochen) abgegeben werden. Bei Erbrechen können Laxanzien für die Dauer von bis zu drei Tagen bis zum Arztbesuch abgegeben werden. Implikationen von SQ2: Obwohl bei unerwartetem Gewichtsverlust (> 5 %) sowie Blut im Stuhl ohne bekannte Ursache eine klinische Beurteilung geboten ist, können rezeptfreie Laxanzien als vorübergehende Lösung bis zur ärztlichen Konsultation angewendet werden. Insbesondere bei neu auftretendem Blut im Stuhl ohne bekannte Ursache ist jedoch unbedingt innerhalb von drei Tagen ärztlicher Rat einzuholen, während bei Gewichtsverlust eine ärztliche Konsultation innerhalb von zwei bis vier Wochen geboten ist.

Unkomplizierte Fälle:Wenn keine Warnsymptome vorliegen und der Allgemeinzustand des Patienten stabil ist, können rezeptfreie Lösungen getrost sowohl bei akuter als auch bei chronischer Obstipation empfohlen werden. Patienten mit akuter oder gelegentlicher Obstipation sollten ärztlichen Rat einholen, wenn die Symptome über zwei bis drei Monate anhalten. Bei chronischen Symptomen muss vor allem dann, wenn keine frühere Diagnose vorliegt, innerhalb von zwei bis vier Wochen ein Arzt konsultiert werden. Dann ist unter Umständen auch eine Koloskopie erforderlich, insbesondere bei Betroffenen im Alter von über 50 Jahren. Generell ist immer dann, wenn Verdacht auf eine plötzliche Verschlimmerung der Obstipation oder eine unzureichende Symptomlinderung trotz Behandlung besteht, eine zeitnahe ärztliche Beurteilung (innerhalb von 2 bis 4 Wochen) notwendig.

Die Bedeutung rezeptfreier Laxanzien

Bei der Wahl des Laxans sollten auch die Präferenzen des Betroffenen im Hinblick auf Wirkungseintritt, Geschmack und Anwendungsform berücksichtigt werden. Macrogole, Bisacodyl und Natriumpicosulfat sind die Mittel der ersten Wahl mit einer nachweislichen Sicherheit und Wirksamkeit [3]. Da stimulierende Laxanzien schneller wirken und die Symptome eher lindern (Wirkeintritt nach 6–12 Stunden), eignen sie sich besonders für die Bedarfsmedikation wie etwa bei akuter oder intermittierender Obstipation. Um optimal wirken zu können, sollte Macrogol kontinuierlich eingenommen werden (Wirkeintritt nach 24–48 Stunden). Da es bei chronischer Obstipation wichtiger ist, einen regelmäßigen Stuhlgang zu gewährleisten, als die Symptome schnell zu lindern, eignen sich Macrogole gut für eine Dauerbehandlung. Spricht ein Patient auf keines der rezeptfreien Laxanzien an, kann ihm der Apotheker eine andere Erstlinientherapie oder vielleicht sogar eine andere Wirkstoffklasse empfehlen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Forschungsergebnisse – entgegen weitverbreiteten Mythen – belegen, dass der langfristige Gebrauch von Laxanzien unbedenklich ist.

Schlussfolgerung

Apotheker haben eine große Verantwortung, die weit über die Abgabe von Medikamenten hinausgeht. Indem sie die Lücke zwischen Selbstmanagement und ärztlicher Versorgung schließen, erleichtern sie Patienten die Selbstfürsorge erheblich. Der von uns bereitgestellte Algorithmus soll sie in dieser Schlüsselrolle zusätzlich unterstützen. 

Literatur

  1. Frieling T, Martin E, et al. The role of community pharmacists in optimising patient self-management of constipation: an inter-disciplinary consensus view. Drugs Ther Perspect 2023;39:114–23. https://doi.org/10.1007/s40267-023-00979-1.
  2. Belsey J, Greenfeld S, et al. Systematic review: impact of constipation on quality of life in adults and children. Aliment Pharmacol Ther 2010;31(9):938–49. DOI: 10.1111/j.1365-2036.2010.04273.x.
  3. Andresen V, Becker G, et al. Aktualisierte S2k-Leitlinie chronische Obstipation der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie & Motilität (DGNM) – April 2022 – AWMF-Registriernummer: 021–019. Z Gastroenterol 2022;60(10):1528–72. doi:10.1055/a-1880-1928.

Danksagung: Die Autor*innen danken Dr. Paula Fontanilla von Sanofi für die kritische Überprüfung des wissenschaftlichen Inhalts dieses Manuskripts sowie Sima Manmode von Sanofi für die Gestaltung der Abbildung.

Interessenkonflikte: C. Ude war als Berater/Referent für Bionorica, Infectopharm Arzneimittel, Consilium und Sanofi tätig. E. Martin arbeitete als Berater für AstraZeneca, Berlin-Chemie, GSK, Infectopharm, Pfizer und Sanofi und hielt Vorträge/Seminare für Berlin-Chemie, GSK und Infectopharm. Er erhielt Autorenhonorare von Avoxa, DAV, WVG, dem Helmholtz-Zentrum Berlin und der PNN Pharma Nation Network AG. D. Esen ist Mitarbeiterin von Sanofi. D. Pohl war als Berater für Sanofi sowie als Berater/Referent für Schwabe Pharma, Permamed und Medtronic tätig. 

Offenlegung: Die Veröffentlichung wird von Sanofi finanziert.

Affiliation/Korrespondenz: Christian Ude, Stern-Apotheke, Darmstadt, Eric Martin, Hubertus-Apotheke, Marktheidenfeld, Dilhan Esen, Sanofi, Frankfurt am Main und Daniel Pohl, Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Zürich, Schweiz
Eingereicht am: 04.09.2024Akzeptiert am: 20.09.2024Veröffentlicht am: 11.11.2024
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