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Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur mukokinetischen Wirkung von Ambroxol


EFSM: 2024;4:240038DOI: 10.52778/efsm.24.0038Veröffentlicht am: 30.07.2024
Magdalena Brodowska, Heidemarie Graeter, Paula Fontanilla und Lionel Noah

Die Anwendung von Ambroxol wird von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin [1] zur Verminderung der Symptomintensität und Beschleunigung der Rekonvaleszenz nach akutem und subakutem Husten empfohlen. Das Expektorans zeichnet sich durch seine mukokinetische Wirkung aus und sorgt für ein besseres Schlagen der Zilien in den Atemwegen zum Abtransport von Schleim. Eine neue Studie [2] beleuchtet nun weitere Details des für die mukokinetische Wirkung von Ambroxol verantwortlichen Signalwegs.

Bekannter Wirkmechanismus von Ambroxol

Ambroxol stimuliert die Aktivität der Becherzellen und vermindert auf diese Weise die Viskosität von Bronchialschleim. Es regt darüber hinaus die Produktion von Surfactant in Pneumozyten vom Typ II an. Als Folge davon haftet der produzierte Schleim weniger stark an den Bronchialwänden. Beide Mechanismen erleichtern das Abhusten. Darüber hinaus legen In-vitro-Studien antibakterielle und antivirale Eigenschaften von Ambroxol nahe: Bei Infektionen mit Rhinoviren in primären Epithelzellen der Trachea des Menschen wurde die Anzahl der Pathogene und die Bildung inflammatorischer Mediatoren [3] vermindert und in einem Mausmodell die Vermehrung von Influenzaviren unterdrückt [4]. Außerdem besitzt Ambroxol antiinflammatorische Eigenschaften, da es verschiedene Zytokine moduliert. Ambroxol verfügt auch über eine lokale anästhetische Wirkung durch Inhibition der Natriumkanäle.

Bedeutung der mukoziliären Clearance

Die mukoziliäre Clearance (MCC) ist ein Verteidigungsmechanismus der Lunge, der sich aus drei Komponenten zusammensetzt: die muzinöse Oberflächenschicht (surface mucous layer, SML), die periziliäre Schicht (periciliary layer, PCL) und die schlagenden Zilien (Flimmerhärchen), die die Oberfläche der Atemwege auskleiden und die koordinierte Schlagbewegung innerhalb der PCL bewirken [2]. Die Schlagfrequenz der Zilien (ciliary beat frequency, CBF) und der ziliäre Biegewinkel (ciliary bend angle, CBA) spielen eine wichtige Rolle für die Wirksamkeit der Zilienbewegung und somit für den Transport von Schleim. Eingeatmete Partikel (beispielsweise Bakterien oder Viren) werden in der SML eingeschlossen und durch die Schlagbewegung der Zilien in der PCL zum Oropharynx transportiert, wo sie entweder geschluckt oder abgehustet werden. Medikamente, die die Schlagbewegung der Zilien unmittelbar aktivieren, sind daher für die Prävention oder Besserung vieler Atemwegserkrankungen mit vermehrter Schleimproduktion von besonderem Interesse. Trotz der Relevanz dieser speziellen Wirkung von Ambroxol ist der zugrunde liegende Wirkmechanismus noch nicht vollständig bekannt.

Jüngste Erkenntnisse zu der durch Ambroxol induzierten und Calcium-vermittelten Signalgebung in murinen Lungenepithelzellen mit Zilien

In einer früheren Untersuchung wurde deutlich, dass Ambroxol die Bewegung und Biegeamplitude von Zilien in Zellen fördert, indem der Calciumspiegel im Innern der Zellen angehoben wird [5]. Zu diesem Anstieg kommt es, wenn die Freisetzung von Calcium aus dem internen Zellspeicher und – noch wichtiger – durch den Einstrom von Calcium in die Zelle über spezielle Calciumkanäle (CaV1.2) angeregt wird. Die folgende Forschungsarbeit von Nakahari und Kollegen [2] hat weiter verdeutlicht, dass die beobachtete Förderung der Zilienaktivität überwiegend durch zwei zelluläre Signalmechanismen gesteuert wird: Der eine ist an den zellulären pH-Wert gekoppelt und der andere an die Konzentration von Chloridionen im Innern der Zelle. Anfänglich regt Ambroxol die speziellen Calciumkanäle in dem mit Zilien ausgekleideten Lungenepithel an und führt zu einem Calciumanstieg in der Zelle. Dieser Calciumanstieg aktiviert einen Mechanismus, durch den Bicarbonat (HCO3) in die Zelle transportiert und so der pH-Wert im Innern der Zelle angehoben wird. Dadurch werden Schlagfrequenz und -amplitude der Zilien angekurbelt. Darüber hinaus stimuliert der Anstieg der Calciumkonzentration ein Protein (Anoctamin 1 oder ANO1), das die Freisetzung von Chloridionen aus den Zilien beschleunigt und damit die Konzentration der Chloridionen im Innern reduziert. Eine ausführliche Untersuchung dieser Mechanismen zeigte, dass der pH-Wert-abhängige Signalweg zu einem deutlichen Anstieg von sowohl der Zilienschlagfrequenz (um 30 %) als auch der Amplitude (um 15–20 %) beiträgt, während der Chloridionen-Signalweg die Amplitude zwar ebenfalls verstärkt (um 10–15 %), aber keine spürbaren Auswirkung auf die Zilienschlagfrequenz hat. 

Klinische Umsetzung: Empfehlung von Ambroxol bei akutem Husten

Nach unseren Erkenntnissen ist Ambroxol der einzige mukoaktive Wirkstoff, für den ein solch präziser mukokinetischer Wirkmechanismus beschrieben wurde. Dies unterstreicht den eindrucksvollen Nachweis, dass seine mukokinetische Wirkung – neben seiner serolytischen Wirkung – eine wichtige Rolle beim Nutzen der Ambroxol-Therapie spielt.

Literatur

  1. Kardos P, et al. Guidelines of the German Respiratory Society for diagnosis and treatment of adults suffering from acute, subacute and chronic cough. Pneumologie 2019;73:143–80.
  2. Nakahari T, et al. Ambroxol-enhanced frequency and amplitude of beating cilia controlled by a voltage-gated Ca2+ channel, CaV1.2, via pHi increase and [Cl]i decrease in the lung airway epithelial cells of mice. Int J Mol Sci 2023;24:16976. doi: 10.3390/ijms242316976.
  3. Yamaya M, et al. Ambroxol inhibits rhinovirus infection in primary cultures of human tracheal epithelial cells. Arch Pharm Res 2014;37(4):520–529. doi: 10.1007/s12272-013-0210-7.
  4. Yang B, et al. Ambroxol suppresses Influenza-virus proliferation in the mouse airway by increasing antiviral factor levels. Eur Respir J 2002;19(5):952-958). doi: 10.1183/09031936.02.00253302.
  5. Saito D, et al. Ambroxol-enhanced ciliary beating via voltage-gated Ca2+ channels in mouse airway ciliated cells. Eur J Pharmacol 2023;941:175496. doi:10.1016/j.ejphar.2023.175496.

Interessenskonflikte: M. Brodowska, H. Graeter und P. Fontanilla sind Mitarbeiter von Sanofi. Während der Erstellung des Manuskripts war L. Noah Mitarbeiter von Sanofi.

Offenlegung: Medical Writing und Veröffentlichung von Sanofi finanziert.

Affiliation/Korrespondenz: Magdalena Brodowska, Sanofi, Warschau/Polen, Heidemarie Graeter, Sanofi Frankfurt am Main/Deutschland, Paula Fontanilla, Sanofi Neuilly-sur-Seine/Frankreich und Lionel Noah, Sanofi Neuilly-sur-Seine/Frankreich
Eingereicht am: 23.04.2024Akzeptiert am: 01.07.2024Veröffentlicht am: 30.07.2024
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