Frei verkäufliche (over the counter, OTC) Medikamente sind eine praktikable Lösung für die Eigenbehandlung, da sie ohne ärztliche Verordnung verkauft werden. Die Befreiung von Arzneimitteln von der Rezeptpflicht kann bei medizinischem Fachpersonal Sicherheitsbedenken bezüglich dieser Arzneimittel (Fehlanwendung oder Missbrauch) hervorrufen [2].Damit ein Arzneimittel einen OTC-Status erlangt, muss es ein fundiertes Sicherheitsprofil und eine Wirksamkeit aufweisen, die sich für eine Selbstmedikation eignen [3]. Der Anteil der Personen, die OTC-Medikamente für die Allergiebehandlung bevorzugen, ist von 66% im Jahr 2009 auf 75% im Jahr 2015 gestiegen [4].
Die allergische Rhinitis (AR) ist eine durch Allergene hervorgerufene Entzündung mit Symptomen wie eine laufende, juckende und verstopfte Nase, Niesen und tränende Augen. Fexofenadin ist ein orales Antihistaminikum (OAH) der zweiten Generation, das in den meisten europäischen Ländern und seit 2016 auch in Italien für die symptomatische Behandlung der AR frei verkäuflich erhältlich ist. Cetirizin und Loratadin sind ebenfalls OTC-OAHs der zweiten Generation und sind in Italien apothekenpflichtig. Im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Ländern, in denen Packungsgrößen von 7–100 OAH-Tabletten frei verkäuflich sind, sind in Italien nur Packungen mit 7–10 OAH-Tabletten zur Selbstmedikation erhältlich [1]. In dieser Praxisstudie wurde das Sicherheitsprofil von Fexofenadin vor und nach seiner OTC-Verfügbarkeit in Italien mit dem in anderen europäischen Ländern verglichen, in denen größere Packungen erhältlich sind. Ferner wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, um das Sicherheitsprofil von Fexofenadin und anderer OAHs der zweiten Generation in Europa zu beurteilen. Diese Einzelanalyse unerwünschter Ereignisse im Zusammenhang mit Fexofenadin, Loratadin und Cetirizin in Italien (von Januar 2010 bis Juni 2020) basierte auf der Verwendung von Praxisdatenauszügen aus Sicherheitsmeldungen einer verlässlichen Datenbank („Food and Drug Administration Adverse Event Reporting System“ (FAERS) der USA) [1].
Auswirkung der Befreiung von Fexofenadin von der Rezeptpflicht auf das Sicherheitsprofil
Von den 3760 Meldungen über mutmaßliche schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SUE) im Zusammenhang mit Fexofenadin stammten 13 (8 nach zweifachem Absetzen) aus Italien. Sie wurden unter Anwendung des Naranjo-Algorithmus als möglicherweise ursächlich im Rahmen von 1 bis 3 eingestuft, was auf eine schwache Korrelation hinweist. In Italien wurde ein leichter Anstieg von SUE im Zusammenhang mit Fexofenadin von 2010 bis 2019 (Spanne: 0–2 pro Jahr) gemeldet. Dies entspricht dem allgemeinen Meldetrend jeder Arzneimittelart, einschließlich Loratadin und Cetirizin, und ist möglicherweise auf eine allgemeine Intensivierung der Pharmakovigilanzaktivitäten zurückzuführen (Abb. 1).
Abb. 1. Anzahl der jährlichen schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse (SUE) im Zusammenhang mit Fexofenadin im Vergleich zu Loratadin und Cetirizin, die von Januar 2010 bis Juni 2019 in Italien gemeldet wurden (Angepasst aus Carnovale C, et al. 2022)
Die Inzidenz der SUE von Fexofenadin war mit zwei bis fünf Meldungen pro Land auch in den Ländern Europas niedrig, in denen es als OTC-Medikation in größeren Packungen (20–100 Tabletten) erhältlich war.
Die jährlich gemeldete Rate von SUE im Zusammenhang mit Fexofenadin (d. h. die Rate der SUE im Zusammenhang mit einem Arzneimittel auf der Basis seiner jährlichen Anwendung) ist in Italien nach Erlangung des OTC-Status (2016) trotz eines erheblichen Anstiegs von OTC-Verkäufen von Fexofenadin kaum gestiegen. Die Melderate erreichte 2019 bei 3,01% ein Plateau. Dies entsprach dem Niveau vor dem OTC-Status, das 2015 3,70% betrug (Abb. 2).
Abb. 2. Gemeldete SUE-Jahresrate von Fexofenadin in Italien (2010–2019) (Angepasst aus Carnovale C, et al. 2022)
OTC: frei verkäuflich; SUE: schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis
Ein systematischer Review von 22 in Europa durchgeführten Studien [1] ergab eine umfangreiche Anwendung von OAHs der zweiten Generation in der klinischen Praxis. Medizinisches Fachpersonal, einschließlich Apotheker, befürwortete ihre Anwendung im Rahmen der Selbstmedikation.
Zusammenfassung
Das positive Sicherheitsprofil von Fexofenadin bei der Selbstmedikation, das sich auch für in Europa erhältliche größere Packungsgrößen gezeigt hat, spricht dafür, dass diese auch in Italien verwendet werden. Spontane Meldesysteme wie FAERS ermöglichen eine Analyse der Sicherheitsdaten aus der Praxis und eine Charakterisierung von OTC-Arzneimitteln in der täglichen klinischen Praxis.
Literatur
- Carnovale C, Battini V, et al. Safety of fexofenadine and other second-generation oral antihistamines before and after the removal of the prescription requirement in Italy and other European countries: A real-world evidence study and systematic review. World Allergy Organ J. 2022;15(7):100658. doi: 10.1016/j.waojou.2022.100658.
- Schifano F, Chiappini S, et al. Focus on over-the counter drugs’ misuse: A systematic review on antihistamines, cough medicines, and decongestants. Front Psychiatr. 2021;12:657397. doi: 10.3389/fpsyt.2021.657397.
- Stippler A, Eckstein N, et al. To switch or not to switch—first Germany-wide study from the perspective of pharmacists in the European environment. J Public Health. 2021;29(1):9–17. doi: 10.1007/s10389-019-01101-4.
- Association CHP. Rx-to-OTC Switch, 2022. https://www.chpa.org/our-issues/otc-medicines/rx-otc-switch (accessed 27 February 2023).
Danksagungen: Die Autoren danken Paula Fontanilla, PhD, Mitarbeiterin von Sanofi, für die kritische Prüfung des wissenschaftlichen Inhalts dieses Manuskripts und Avinash Bardia sowie Ashwitha A, Mitarbeiter von Sanofi, für die Unterstützung bei der Abfassung und dem redaktionellen Beitrag.
Interessenkonflikt: M. Volonté, M. Amessou und M.C. Uboldi sind Angestellte von Sanofi.
Offenlegung: Medical Writing und Publikation finanziert von Sanofi.